Der kritische Anstellwinkel ist der Anstellwinkel, der den maximalen Auftriebsbeiwert erzeugt. Er wird auch als „Strömungsabrisswinkel“ (stall angle of attack) bezeichnet. Unterhalb des kritischen Anstellwinkels nimmt der Auftriebsbeiwert mit abnehmendem Anstellwinkel ab. Umgekehrt beginnt die Luft oberhalb des kritischen Anstellwinkels, wenn der Anstellwinkel zunimmt, weniger gleichmäßig über die Oberseite des Profils zu strömen und sich von der Oberseite zu lösen. Bei den meisten Schaufelformen verschiebt sich der Ablösepunkt der Strömung an der Oberseite mit zunehmendem Anstellwinkel von der Hinterkante zur Vorderkante. Beim kritischen Anstellwinkel ist die Strömung an der Oberseite stärker abgetrennt, und das Profil oder der Flügel hat seinen maximalen Auftriebskoeffizienten. Wenn der Anstellwinkel weiter ansteigt, wird die Strömung an der Oberseite stärker abgetrennt und der Auftriebsbeiwert nimmt weiter ab.
Oberhalb dieses kritischen Anstellwinkels befindet sich das Flugzeug im Sackflug. Ein Starrflügelflugzeug befindet sich definitionsgemäß bei oder oberhalb des kritischen Anstellwinkels im Sackflug und nicht bei oder unterhalb einer bestimmten Fluggeschwindigkeit. Die Fluggeschwindigkeit, bei der das Flugzeug in den Sackflug übergeht, hängt vom Gewicht des Flugzeugs, dem Beladungsfaktor, dem Schwerpunkt des Flugzeugs und anderen Faktoren ab. Der Strömungsabriss des Flugzeugs erfolgt jedoch immer bei demselben kritischen Anstellwinkel. Der kritische Anstellwinkel liegt bei vielen Tragflächenprofilen bei etwa 15° – 20°.
Einige Flugzeuge sind mit einem eingebauten Flugcomputer ausgestattet, der das Flugzeug automatisch daran hindert, den Anstellwinkel weiter zu erhöhen, wenn ein maximaler Anstellwinkel erreicht ist, unabhängig von den Eingaben des Piloten. Dies wird als „Anstellwinkelbegrenzer“ oder „Alpha-Limiter“ bezeichnet. Moderne Flugzeuge mit Fly-by-Wire-Technologie vermeiden den kritischen Anstellwinkel durch Software in den Computersystemen, die die Flugsteuerungsflächen steuern.
Bei Start- und Landeoperationen von kurzen Start- und Landebahnen (STOL), wie z.B. bei Flugzeugträgeroperationen der Marine und STOL-Flügen im Hinterland, können Flugzeuge mit Anstellwinkel- oder Auftriebsreserve-Indikatoren ausgestattet sein. Diese Indikatoren messen den Anstellwinkel (AOA) oder das Auftriebspotenzial (POWL oder Lift Reserve) direkt und helfen dem Piloten, den Überziehpunkt mit größerer Präzision anzufliegen. Für den STOL-Betrieb muss das Flugzeug bei der Landung nahe am kritischen Anstellwinkel und beim Start im besten Steigwinkel operieren können. Anstellwinkelindikatoren werden von den Piloten verwendet, um bei diesen Manövern maximale Leistung zu erzielen, da die Fluggeschwindigkeitsinformation nur indirekt mit dem Überziehverhalten zusammenhängt.